Kolhaas

“Michael Kohlhaas”

nach Heinrich von Kleist

Bühnenbearbeitung von Franziska Steiof

Übersetzung ins Russische Regina Gottfried


Youth Theatre of Usbekistan, Tashkent, Usbekistan


Bühne: Philipp Kiefer

Kostüm: Franziska-Theresa Schütz/Philipp Kiefer

Musik: Vitaly Aminov


Mit: Sherzod Igamnazarov

Leyla Seid Ogli

Anvar Kartsyev



PRESSE


Volker Oesterreich

30.4.2016

Reihn-Neckar Zeitung


“Rechtsfragen ganz anderer Art werden bereits am Samstagnachmittag beim Gastspiel des usbekischen Jugendtheaters aus Taschkent verhandelt, wenn Heinrich von Kleists "Michael Kohlhaas" im Zwinger 3 auf die Bühne kommt. Franziska-Theresa Schütz, die Leiterin des Jungen Theaters Heidelberg, hat die Novelle zusammen mit drei usbekischen Ensemblemitgliedern in Taschkent theatergerecht tranchiert und diese Produktion nun nach Heidelberg geholt. Zuvor hatte der usbekische Regisseur Obid Abdurakhmanov den Kleist-Stoff seinerseits mit Heidelberger Schauspielern auf die Bühne gebracht. Die wechselseitigen Gastspiele der beiden Kleist-Inszenierungen unterstreichen die Universalität der Kohlhaas-Figur, die aus verletztem Rechtsempfinden in einen wahren Amoklauf gerät.

Beide Produktionen, die Heidelberger und die Taschkenter, wurden im identischen Bühnenbild Philipp Kiefers realisiert, bestehend aus 15 grünen Metallspinden. Während Obdurakhamov auf ihnen schnell geschnittene Videobilder zeigt, nutzt Franziska-Theresa Schütz die Spinde für unterschiedliche Raumlösungen oder als martialisch dröhnende Instrumente. Bei der Heidelberger Premiere der Taschkenter "Kohlhaas"-Version glänzten Anvar Kartayev und Leyla Seid-Ogli in gleich mehreren Rollen, während sich Sherzod Igamnazarov voll und ganz auf die Titelpartie konzentrieren konnte.

Alle drei Akteure tragen rote T-Shirts mit der Aufschrift "Kohlhaas" in kyrillischen Buchstaben. Die Pferde, um die der Protagonist streitet, werden durch alte Klappfahrräder symbolisiert.....

Kohlhaas ficht seinen Rachefeldzug zwar mit Feuer und Schwert aus, auf der Bühne sind jedoch Worte die wichtigsten Waffen, ironisch ergänzt um eine Pistole und einen Feueranzünder, dessen Flämmchen seine Wirkung tut. Das Premierenpublikum in Heidelberg lässt sich rasch antzünden für die usbekische Aufführung mit deutschen Übertiteln.”



Anica Edinger

RNZ

27.4.2016

Junges Theater: Ensemble aus Usbekistan spielt Michael Kohlhaas

Gelebter Kulturaustausch am Jungen Theater: Franziska Schütz verbrachte Anfang des Jahre einige Wochen in Usbekistan und inszenierte nun Kleists Stück auf Russisch


Den Text vor den Proben lernen? In Usbekistan ist das fast schon ein Stilbruch. Regisseurin Franziska-Theresa Schütz musste es vor Ort am eigenen Leib erfahren. Sieben Wochen verbrachte sie Anfang des Jahres in der usbekischen Hauptstadt Taschkent - und probte mit ihrem dreiköpfigen usbekischen Ensemble vom "Youth Theatre of Uzbekistan" ihre Inszenierung von Heinrich von Kleists "Michael Kohlhaas" - auf Russisch. Übersetzerin Regina Gottfried hatte das Skript nicht nur auf Deutsch, sondern auch in Lautschrift übersetzt. "Somit konnte ich genau sehen und hören, ob sie ihren Text richtig konnten", lacht Schütz.

Heute um 11 Uhr ist Premiere von Schütz’ Version des Michael Kohlhaas im Zwinger 3. Seit Montag bereiten sich die Leiterin des Jungen Theaters und ihre Schauspieler auf ihren großen Tag vor. Denn das Projekt ist ein besonderes. Es ist gelebter Kulturaustausch am Theater. Der usbekische Regisseur Obid Abdurakhmanov inszenierte mit drei Schauspielern vom Jungen Theater Heidelberg den Kohlhaas-Stoff im vergangenen Jahr, Premiere war im Dezember. Das gleiche tat Schütz in Usbekistan. Jetzt ist das usbekische Ensemble auch am Jungen Theater zu Gast. Und die drei Schauspieler - das sind Leyla Seid Ogli, Anvar Kartayev und Sherzod Igamnazarov - sind fasziniert von ihrer neuen Spielstätte. "Wir spielen normalerweise auf einer sehr großen Bühne vor fast 400 Zuschauern", berichtet Anvar Kartayev, "hier hat man einen ganz anderen Kontakt zum Publikum." Sie arbeiten gemeinsam auf eine Hauptaufgabe hin: Mit Schütz’ Kohlhaas das Publikum wirklich erreichen. Auch deshalb waren sie gestern - nur noch wenige Stunden und eine Nacht von der Premiere entfernt - besonders angespannt. "Wir haben eine Verantwortung gegenüber Franziska", sagt Leyla Seid Ogli. Zumal sie all ihr Vertrauen in die Regisseurin und ihre Inszenierung setzen müssten. "In Usbekistan kennen wir unser Publikum", meint Sherzod Igamnazarov, der den Kohlhaas spielen wird, "wir wissen, wie sie reagieren." Hier könnten sie nur vermuten, was kommen wird. Doch die Drei sind auch sicher: Es gibt hier eine inhaltliche Grundlage für Kohlhaas, die Deutschen kennen den Kleist-Stoff. Lange war er Sternchenthema für das Deutschabitur. Ganz anders ist das in Usbekistan. Als die usbekischen Schauspieler sich zum ersten Mal mit Kleist auseinandergesetzt hätten, sei es sofort zu Auseinandersetzungen gekommen. Würde ich auch so handeln wie Kohlhaas?, fragten sie sich - und jeder hatte eine andere Antwort. Stoff, der über Jahrhunderte hinweg für Dissonanzen sorge, das sei auch Stoff fürs Theater, findet Sherzod Igamnazarov - und zwar grenzüberschreitend.

Bei den Proben habe man auch deshalb schnell Sprachbarrieren überwunden. Die Verständigung sei gut gewesen - obwohl keine der beiden Parteien der jeweiligen Landessprache mächtig sei. Was aber alle Theatermacher gemein haben, ist die Liebe für die Kunst. "Ihrer Seele dienen wir", sagt Kartayev. Sprache spiele da keine Rolle.”